petit_canard
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i4a macht süchtig.
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Nein, nicht erst "offensichtliche" Zweifel müssen vorliegen, um die Standesbeamtin zur genauen Prüfung zu zwingen.
Nach ein wenig Schmökern in der Dienstanweisung für Standesbeamte würde ich die Sache so "zusammenfassen" (da ich bislang nicht besonders häufig mit der Dienstanweisung für Standesbeamte zu tun hatte, also auf diesem Gebiet eher Laie bin, bitte ich um kritisches Lesen):
Der Standesbeamtin ist die Geburt eines Kindes angezeigt worden. Für den Geburtseintrag muss verbindlich feststehen, ob die Eltern verheiratet sind, also der Ehemann der Mutter als Vater im Rechtssinne gilt, oder ob eine VA für den Vaterseintrag nötig ist. Denn nach § 276 der DA hat sie Eintragungs- und Mitteilungspflichten, für die es nicht egal ist, auf welchem Wege das Kind zum Vater kam. Da diese Eintragungs- und Mitteilungspflichten nicht "auf Antrag" entstehen, sondern durch die DA vorgesehen sind, muss die Standesbeamtin von Amts wegen "zuende" ermitteln, auch wenn für die Eltern durch die Vaterschaftsanerkennung die Sache längst "vom Tisch" ist. Denn gegebenenfalls muss sie einen unrichtigen Eintrag berichtigen.
In relativ vielen Paragraphen zur Führung der Personenstandsbücher wird auf § 80 und § 224 der DA verwiesen. Diese besagen:
§ 224 "In das Familienbuch darf der Standesbeamte nur die Tatsachen eintragen, die er für erwiesen erachtet. Soweit erforderlich, hat er den Sachverhalt durch Ermittlungen aufzuklären."
Das bedeutet, dass sie die Tatsache der Ehe bzw. ehelichen Abstammung positiv feststellen muss, nicht etwa eine Ehe solange als wirksam zu betrachten hat, bis das Gegenteil bewiesen ist. Nein, der Sicherheit des deutschen Urkundswesens wegen genügen bereits "leiseste Zweifel", um einen Eintrag zu verhindern und weitere Ermittlungen zu erfordern.
Aus § 80 ergibt sich, dass bei Eintragung aufgrund einer ausländischen Urkunde bzw. Entscheidung zunächst diese auf ihre Rechtswirksamkeit hin zu prüfen ist, die Vorlage der echten und inhaltlich richtigen ausländischen Urkunde also nicht "automatisch" die Rechtswirksamkeit beweist. Auch aus § 85 Abs. 3 kann man indirekt schließen, dass nur "deutsche" Personenstandsbücher und -urkunden volle Beweiskraft haben, alle ausländischen müssen dahingehend geprüft werden, ob der darin beurkundete Sachverhalt rechtswirksam ist.
Noch mal, ums ganz klar zu sagen: Es ist vollkommen egal, auf welchem Wege die Echtheit festgestellt wird. Egal ob Apostille, Legalisation, Urkundsüberprüfungsverfahren oder freie Beweiswürdigung. Eine echte ausländische Urkunde hat dennoch nicht denselben Beweiswert wie eine deutsche Personenstandsurkunde, nicht für Standesbeamte jedenfalls, laut Dienstanweisung.
Weiter gibt es noch einige Mitteilungspflichten, so z.B. gegenüber der Ausländerbehörde, § 101, der Meldebehörde, § 98, sowie ggf. anderer Standesämter, § 97. Diese Pflichten erklären, warum die Standesbeamtin ihr "Prüfungsergebnis" anderen Behörden weiter gibt - sie muss. Nicht erklärt es jedoch, warum sie die Mitteilung bereits sendet, bevor die Prüfung tatsächlich abgeschlossen ist.
Was nun die leidige "Rechtswirksamkeit" der Eheschließung anbelangt - es gibt viele denkbare Anhaltspunkte, warum die Standesbeamtin näher prüfen könnte. Dinge, die aus dt. Sicht seltsam wirken mögen. Aber wenn die Standesbeamtin vielleicht im Bermann/Ferid gelesen hat, dass diese und jene Voraussetzungen für die Eheschließung gelten, und aus den vorgelegten Urkunden nicht erkennen kann, dass diese bei der Eheschließung vorlagen, dann muss sie es selbst noch mal prüfen, sonst kann sie sich der Tatsache der rechtswirksamen Eheschließung nämlich nicht sicher sein.
Mal ein paar Beispiele, um der Fantasie auf die Sprünge zu helfen: Wurde die Ehe (wie hier geschehen?) durch Ehevertrag vorm Imam geschlossen, dann muss vielleicht geprüft werden, dass die im Vertrag enthaltenen Vereinbarungen der Ehegatten nicht gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen. Vielleicht sieht das Gesetz die Vereinbarung und Zahlung einer Morgengabe in einer Mindesthöhe vor. Oder mindestens ein Verlobter muss gewöhnlichen Aufenthalt im Land haben, damit ein Standesamt zuständig ist. Oder es war kein Dolmetscher anwesend, obwohl die bulgarische Verlobte kein arabisch versteht.
Da wir alle so wenig vom Sachverhalt wissen und wohl auch recht wenig über die Vorschriften des israelischen und bulgarischen Recht, denke ich nicht, dass wir uns erlauben können, ohne genauere Einsicht in die Materie einfach mal eben zu urteilen, dass die Standesbeamtin "als Beschäftigungstherapie" mal eben rumprüft, obwohl sie das doch gar nicht darf oder dass sie "rechtswidrig" irgendwelche Entscheidungen trifft. Ich denke nicht, dass diese Unterstellungen, die letztendlich nur "Fronten verhärten", irgendwem weiterhelfen. petit_canard
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