Muleta schrieb am 29.05.2008 um 07:39:24:das kann ich dem
AufenthG nicht entnehmen; eine familiäre
AE wäre auch dann zu erteilen, wenn z.B. die Familie in wenigen Wochen in ein anderes Land ausreisen will aber bis dahin die fam. Lebensgemeinschaft hergestellt werden soll.
Nein, für Aufenthalte von unter drei Monaten ist der
einzige richtige Aufenthaltstitel der einheitliche Sichtvermerk (Schengenvisum), Art. 10 Abs. 1 SDÜ, Ziff. I 1, IV GKI, § 6 Abs. 1-3
AufenthG. Er
"kann erteilt werden, wenn die Erteilungsvoraussetzungen des Schengener Durchführungsübereinkommens und der dazu ergangenen Ausführungsvorschriften erfüllt sind". Nur für
"längerfristige Aufenthalte", für die ein nationales Visum erforderlich ist, richtet sich gem. § 6 Abs. 4
AufenthG die Erteilung nach den für die
AE,
NE und Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG geltenden Vorschriften. Die materiellen Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthalt im Bundesgebiet von unter drei Monaten richten sich damit auch dann
ausschließlich nach Art. 10 Abs. 1, 15 SDÜ, Art. 5 VO 562/2006 (Schengener Grenzkodex), Ziff. V GKI, wenn der Zweck des Kurzaufenthalts die Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft iSd § 27 Abs. 1
AufenthG ist.
Muleta schrieb am 29.05.2008 um 07:39:24:es sah so aus, als ob Du die Fundstellen aus einem Kommentar hättest - und mir ist kein brauchbarer und vollständiger aufenthaltsrechtlicher Kommentar bekannt, in dem Entscheidungen aus dem Jahr 2006 oder später bereits eingearbeitet sind.
Warum schreibst Du nicht einen
?
Muleta schrieb am 29.05.2008 um 07:39:24:wobei dann zu fragen wäre, ob § 95 Abs. 2 Nr. 2
AufenthG durch das Vorzeigen des auf falschen Angaben beruhenden Visums bei der Einreisekontrolle in Deutschland dann verwirklicht wäre.
Mal abgesehen davon, dass die Schengen-Einreisekontrolle ja nicht notwendigerweise in Deutschland stattfindet, kann ich keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten sehen. Zwar behauptet Lorenz, NStZ 2002, 640, 642 das Gegenteil, ohne das aber zu begründen. Nach BGH 2 St 457/04,
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/04/2-457-04.php, dürfte klar sein, dass sich nicht strafbar macht, wer mit einem durch Falschangaben erschlichenen Visum einreist, solange nicht bei der Grenzkontrolle Falschangaben positiv gemacht, sondern lediglich das Visum vorgelegt wird. Vgl. auch BGH NJW 2005, 2095; OLG Karlsruhe, Vorlagebeschluss (Art. 234 EGV) v. 4.4.08, 3 Ss 79/07.
Im einzelnen:
Der Täter handelt hier nicht "zur Täuschung im Rechtsverkehr". Es "täuscht", wer einem anderen eine unwahre Tatsache als wahr zur Kenntnis bringt. Welchen Erklärungsgehalt die Vorlage des Schengenvisums bei der Einreisekontrolle hat, ist nach dem objektiven Empfängerhorizont zu bestimmen. Dieser ergibt sich vorliegend aus der VO 562/2006, die das Prüfprogramm bei der Einreisekontrolle enthält. Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b, 7 Abs. 3 Buchst. a Nr. iii, Buchst. c Nr. i VO 562/2006 iVm den Vorschriften der VO 539/2001 wird überprüft, ob der Drittstaatsangehörige im Besitz des erforderlichen Aufenthaltstitels, hier: Visums ist. Durch die Vorlage des Schengenvisums bringt der Drittstaatsangehörige der kontrollierenden Person zur Kenntnis, dass dies der Fall ist. Dies ist keine unwahre Tatsache, weil auch das rechtsmissbräuchlich erlangte Schengenvisum wirksam ist (BGH 2 St 457/04,
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/04/2-457-04.php) und also ein erforderlicher Aufenthaltstitel iSd VO. Dagegen stellt die bloße Vorlage des Schengenvisums nicht zugleich auch eine konkludente Äußerung über den Zweck und die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts dar. Denn die die Kontrolle durchführende Person ist nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, 7 Abs. 3 Buchst. a Nr. v gehalten, sich über diese Einreisevoraussetzungen unabhängig von dem vorgelegten Visum Gewissheit zu verschaffen. Der einreisewillige Drittstaatsangehörige hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch Vorlage bestimmter, in Anhang I der VO 562/2006 bezeichneter Dokumente zu belegen (Art. 5 Abs. 2 VO 562/2006). Das Visum selbst erbringt für das Vorliegen dieser Voraussetzungen keinen Beweis, auch nicht einen solchen des ersten Anscheins. Daher handelt der Täter durch die Vorlage des Visums auch nicht "zur Täuschung im Rechtsverkehr". Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Merkmal nur zum subjektiven Tatbestand gehört, es also genügt, wenn der Täter eine Täuschung beabsichtigt, diese aber nicht gelingt. Es wäre lebensfremd, anzunehmen, der Täter habe bei der Einreise den analog zur Täuschungsabsicht des § 267 StGB für erforderlich zu haltenden dolus directus 2. Grades, durch die bloße Vorlage des Visums einen Irrtum bei seinem Gegenüber hervorzurufen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch Laien parallel richtig werten, dass die bloße Vorlage des Visums allenfalls das Einreisebegehren und die Substantiierung der sichtvermerksbezogenen Einreisevoraussetzungen beinhaltet. Falls man (eine rein theoretische Übung) davon ausgehen wollte, der Täter stelle sich irrig vor, die Vorlage des Visums allein würde den die Kontrolle durchführenden Beamten über den Aufenthaltszweck orientieren, wäre das ein Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale und damit nach überzeugender Auff. ebenfalls straflos.
Im Ergebnis gilt daher m.E.: Macht der Täter bei der Einreisekontrolle keine Angaben zu seinem Aufenthaltszweck, sondern legt er lediglich ein echtes und gültiges Visum vor, liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit auf einem Unterlassen. Mangels ausdrücklicher Bestimmung der Strafbarkeit nach § 13 Abs. 1 StGB ist dieses Unterlassen straflos.