Muleta schrieb am 28.05.2008 um 19:05:42:eben das bestreite ich: für die AE-Erteilung ist die geplante Dauer des Aufenthalts letztlich dem Grunde nach unerheblich - es ist egal, ob jemand nur noch ein paar Tage länger hierbleiben will oder "für immer" - das spiegelt sich ggf. noch in der Gültigkeitsdauer der
AE wieder, spielt aber für die Erteilung oder Nichterteilung überhaupt keine Rolle.
Dem kann ich nicht folgen. Die ausserhalb des Ausländerrechts (nämlich im Familienrecht und in den von diesem gleichsam vorpositiv vorausgesetzten sozialen Institutionen Ehe und Familie) wurzelnden, hier interessierenden FZF-Tatbestände - Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft, Ausübung der Personensorge für einen Minderjährigen - sind grdsl auf Dauer ausgerichtet. Daher gehört zu den besonderen Erteilungsvoraussetzungen der §§ 27 ff. ja auch, dass die Verwirklichung des Aufenthaltszwecks
FZF jedenfalls nicht lediglich für einen ephemeren Übergangszeitraum, sondern mit einer Perspektive "bis auf weiteres" (wenn auch nicht unbedingt für die Ewigkeit und ggf. auch nicht langfristig im Inland) erstrebt wird. Hiermit korrespondiert, dass es schengenrechtlich grdsl unzulässig ist, für Aufenthalte von einer Dauer von weniger als drei Monaten, nationale Visa und Aufenthaltstitel zu erteilen. Die Dauer des geplanten Aufenthalts ist daher im Rahmen der Antragstellung für eine
AE nach den §§ 27 ff. und entsprechend auch schon für das eigentlich zu diesem Zweck zuvor einzuholende nationale Visum durchaus relevant: Besteht der Aufenthaltszweck in der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft oder in der Ausübung der Personensorge für ein minderjähriges Kind, dürfen Aufenthaltstitel (Visa und AE) dann nicht nach §§ 27 ff. erteilt werden, wenn ein Aufenthalt von unter 3 Monaten beabsichtigt ist.
Muleta schrieb am 28.05.2008 um 19:05:42:dann weise ich mal darauf hin, dass das VG Koblenz v. 24.7.07, 3 L 1035/07.KO [...], die Problematik von § 7 StGB ausdrücklich nicht berücksichtigt hat
Unabhängig von der Frage, ob das VG Koblenz das russische Strafrecht von Amts wegen hätte prüfen müssen (ich meine, theoretisch ja: §§ 173 VwGO, 293 ZPO -- die praktische, zeit- und kostenbedingte Untunlichkeit einer solchen Prüfung ist mir natürlich klar) - ich bezweifle, dass es irgendwo auf der Welt eine ausländische Tatortnorm gibt, die den bestraft, der gegenüber der Vertretung eines fremden Staates falsche Angaben in einem Visumverfahren macht oder auch pauschal den, der gegenüber irgendjemandem falsche Angaben in irgendeinem Zusammenhang macht. Ungefähr so müsste eine solche Tatortnorm aber aussehen, um den Test von § 7 StGB zu bestehen.
Muleta schrieb am 28.05.2008 um 19:05:42:aus welcher Quelle hast Du die Entscheidung eigentlich?
Juris. Dort ist als Parallelfundstelle angegeben InfAuslR 2007, 435-439. Woher das Interesse?
Muleta schrieb am 28.05.2008 um 19:05:42:Ich meine mich aber auch zu erinnern, dass 55 Abs. 2 Nr. 2 hinsichtlich des "Verstoßes gegen Rechtsvorschriften" wesentlich weiter geht, als es ein Strafgericht könnte (hab' leider keine Literatur mehr griffbereit).
Das ist unbestritten. Ich habe ja hier auch nicht mit dem Strafrecht angefangen. Die außerstrafrechtliche Komponente dürfte aber wiederum von Nr. 1 bzw. in casu von dem insoweit spezielleren § 5 Abs. 2 abgedeckt sein.
Soweit Du daran denken solltest, dass es für § 55 Abs. 2 Nr. 2 genügt, wenn ein Straftatbestand schuldlos, aber rechtswidrig verwirklicht wird ("rechtswidrige Tat" iSd § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB), möchte ich auf zweierlei hinweisen:
Zum einen liegt der Fall völlig anders, wenn bereits von vornherein der Anwendungsbereich eines Strafgesetzes vollkommen ausgeschlossen ist, wie bei Auslandstaten nach Maßgabe des § 3 StGB. Die Vorschrift bestimmt, wann deutsches Strafrecht gilt und wann nicht. Eine nicht geltende Vorschrift kann nicht verletzt werden, auch nicht auf eine Weise, die nicht zur Strafbarkeit, aber zu einer verwaltungsrechtlichen Folge führen würde. (Gleiches gilt übrigens mE grundsätzlich bei Straftaten nicht strafmündiger Personen, die nicht zugleich auch positivierte andere Rechtspflichten, z.B. § 823 I BGB, verletzen.)
Zum anderen würde eine solche Berücksichtigung des § 95 bei § 55 Abs. 2 Nr. 2 auch die besondere, spezifische Wechselbezüglichkeit zwischen Ausländerstrafrecht und Ausländerrecht verkennen. Das Ausländerstrafrecht ist als Nebenstrafrecht so konzipiert, dass es Bezug nimmt auf Verstöße gegen materielle und verfahrensrechtliche Bestimmungen des Ausländerrechts. Wo aber das materielle Ausländerrecht an Rechtsverletzungen, insbesondere an strafrechtlich relevantes Handeln, negative Rechtsfolgen für Ausländer knüpft, kann, wenn nicht das Bezugsverhältnis zwischen Ausländerrecht und Ausländerstrafrecht seinen Sinn verlieren soll, nicht allein die Strafbewehrtheit der Zuwiderhandlung gegen eine ausländerrechtliche Vorschrift dann im Rahmen einer anderen ausländerrechtlichen Vorschrift zu einer weiteren negativen Folge führen. Neben der Verletzung der verwaltungsrechtlichen Vorschrift kann deren bloßer nebenstrafrechtlicher Reflex daher im Rahmen anderer verwaltungsrechtlicher Vorschriften mE grdsl nicht zu berücksichtigen sein.