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Beitrag begonnen von Marlena am 29.03.2010 um 13:16:55

Titel: Werkvertrag trotz abhängiger Beschäftigung - trotzdem Selbständigkein und tabu?
Beitrag von Marlena am 29.03.2010 um 13:16:55
Hallo Liebe ABHler,

hab lange nicht mehr dieses tolle Forum benutzt, aber jetzt komme ich mit einer für mich nicht lösbaren Frage.

Ich bin Studentin aus Russland, brauche noch etwa ein Jahr für den Abschluss. Ich habe ein Jobangebot (auf 3 Monate befristet) bekommen, aus dem ich mit wenig Zeiteinsatz mein Studium finanzieren könnte, was für mich jetzt in der Abschlussphase wichtig ist. Da gibt es jedoch einen Hacken.

Mein potenzieller Arbeitgeber für diesen Superjob (Interviews in den Familien) möchte Studenten NUR auf Werkvertrag beschäftigen. Also nicht angestellt, selbständig, was wir ja per Aufenthaltstitel zu Studienzwecken nicht dürfen. Die studentische Arbeitsvermittlung, über die ich Lohnsteuer abführen würde, sagt, es handelt sich aber um eine abhängige Beschäftigung (kein unternehmerisches Handeln, alle Handlungen sind vorgeschrieben, Arbeitsmaterialien des AGs, nur Einsatzzeit ist einigermaßen frei zu bestimmen und man arbeitet halt  nicht im Büro des AGs sondern in den Familien, aber die Adressen sind ja auch vom AG). Also sie gehen davon aus, dass der AG einfach die Sozialabgaben sparen will.

Die studentische Vermittlung rät mir den Job anzunehmen, auch den Werkvertrag zu unterschreiben (obwohl da das Blatt der Prüfung der Sozialversicherungspflicht darauf hinweist, dass der AG von der Selbständigkeit ausgeht).
Mit der Begründung: es zählt im schlimmsten Fall das tatsächliche Arbeitsverhältnis und nicht der Vertrag.

Diese Info stimmt auch mit der Info im Internet überein: es gibt Gerichtsurteile, nach denen Telefoninterviewer NICHT als Selbständsige gelten, auch wenn der AG sie zum Vertrag über freiberufliche Tätigkeit "gezwungen" hat. Aber es geht da eben um Telefoninterviewer in Callcentern, die ja tatsächlich absolut wie Angestellte arbeiten.

So. Ich habe jetzt die Qual der Wahl. Meinen Aufenthaltstitel riskieren will ich auf keinen Fall. Aber es gibt auch nicht viele Jobs, wo man studienbegleitend arbeiten kann.

Ich habe eine schriftliche Anfrage an die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung geschrieben, aber die Antwort ist noch nicht da.

Wie sieht es die Ausländerbehörde?

Vielen Dank im Voraus.

Liebe Grüße,
Marlena

Titel: Re: Werkvertrag trotz abhängiger Beschäftigung - trotzdem Selbständigkein und tabu?
Beitrag von Saxonicus am 29.03.2010 um 16:25:04

Marlena schrieb am 29.03.2010 um 13:16:55:
Wie sieht es die Ausländerbehörde?

Das solltest Du sie am Besten mal fragen.

Titel: Re: Werkvertrag trotz abhängiger Beschäftigung - trotzdem Selbständigkein und tabu?
Beitrag von Muleta am 29.03.2010 um 17:26:13

Marlena schrieb am 29.03.2010 um 13:16:55:
Ich habe eine schriftliche Anfrage an die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung geschrieben, aber die Antwort ist noch nicht da.


damit wird der zukünftige Arbeitgeber wohl Schwierigkeiten bekommen und Du wirst den Job nicht kriegen. Insofern dürfte sich das Problem erledigt haben.


Zitat:
Wie sieht es die Ausländerbehörde?


bestenfalls nach § 21 Abs. 6 AufenthG. Eine Scheinselbstständigkeit darf jedoch nicht erlaubt werden - da kommt es insofern auf den Kenntnisstand des individuellen Sachbearbeiters an.

Muleta

Titel: Re: Werkvertrag trotz abhängiger Beschäftigung - trotzdem Selbständigkein und tabu?
Beitrag von Marlena am 31.03.2010 um 13:00:53
Danke für Ihre Antworten.

Ich habe das Antwortschreiben der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung bekommen und die lautet:

es würde ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegen,

da die inteviewten Familien, Arbeitsmittel (Laptop, Fragebögen) von AG kommen, Schulungen zu belegen sind, Ort und Anzahl der Datenerhebungen vom AG bestimt sind, detailierte Regeln für den Ablauf der Interviews werden vom AG festgelegt.

Übrigens habe ich eine anonymisierte Anfrage gestellt (also den AG nicht genannt und alle Stellen im Vertrag schwarz durchgestrichen, wodurch man ihn identidizieren könnte), also sollte er dadurch keine Probleme bekommen. Nur meine Daten wurden bekannt gegeben.

Was soll ich nun machen?

Meine Steuern würde ich ja über die stud. Arbeitsvermittlung zahlen. "Nur" die sozialvericherunsgrechtliche Anmeldung kann nicht vorgenommen werden, aber dafür ist ja der AG zuständig.


Ist es trotzdem gefährlich für mich?
In Punkto Selbständigkeitsverbot - Risiko die Aufenthaltserlaubnis zu verlieren?

Ich bin ja zu Geldstrafen bereit, wenn ich was falsch mache, aber am Ende des Studiums abgeschoben zu werden, dazu bin ich nicht bereit.


Folgende Gerichturteile gibt es dazu:

1. Marktforschungsunternehmen können auch dann verpflichtet sein, für ihre Telefoninterviewer Lohnsteuer anzumelden und abzuführen, wenn bezüglich der Interviewtätigkeit eine "freie Mitarbeit als Honorarkraft" vereinbart wurde.
....

Der Senat stützte die Annahme einer lohnsteuerpflichtigen, nichtselbständigen Beschäftigung im Streitfall insbesondere darauf, dass die Interviewer starr an den von der eingesetzten Software vorgegebenen Fragenkatalog gebunden waren und sich über den Inhalt und Ablauf des Kernbereichs ihrer Tätigkeit keine Gedanken mehr machen mussten. Außerdem trugen die Interviewer nach Auffassung des Senats nicht das dem Bild eines Selbständigen entsprechende Unternehmerrisiko, weil sie keine eigenen Aufwendungen hatten und ihnen nur moderate Verdienststeigerungen möglich waren.

http://www.kostenlose-urteile.de/Arbeitnehmereigenschaft-von-Telefoninterviewern-eines-Marktforschungsinstituts-bejaht.news3939.htm

2. Telefoninterviewer sind trotz "freiem-Mitarbeiter-Vertrag" sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer (= Scheinselbständige), entschied das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.02.2006 Aktenzeichen L 16 KR 253/04 und erkannte auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Dabei half insbesondere nicht, dass die Parteien in der Präambel ausdrücklich deutlich gemacht hatten, dass sie eine selbständige Tätigkeit wollen


http://www.scheinselbstaendigkeit.de/aktuelles-scheinselbstaendigkeit/artikel/telefoninterviewer-sind-arbeitnehmer-bzw-scheinselbstaendig/index.html

Titel: Re: Werkvertrag trotz abhängiger Beschäftigung - trotzdem Selbständigkein und tabu?
Beitrag von erne am 01.04.2010 um 17:08:42
hmm, wenn der potentielle AG nur die Sozialversicherungskosten sparen will, kannst du ja mit ihm sprechen und fragen, ob er dich zum vereinbarten "Honorar" - Sozialabgaben anstellen will (- = Minus) und damit nicht mehr zahlt. Du wirst dann natürlich weniger haben, aber dafür ganz legal.
Du weisst ja: Ausnahmen bestätigen die Regel und fragen kostet nichts

Titel: Re: Werkvertrag trotz abhängiger Beschäftigung - trotzdem Selbständigkein und tabu?
Beitrag von Eduard am 02.04.2010 um 19:19:42

erne schrieb am 01.04.2010 um 17:08:42:
hmm, wenn der potentielle AG nur die Sozialversicherungskosten sparen will, kannst du ja mit ihm sprechen und fragen, ob er dich zum vereinbarten "Honorar" - Sozialabgaben anstellen will (- = Minus) und damit nicht mehr zahlt. Du wirst dann natürlich weniger haben, aber dafür ganz legal.


Bei diesen "scheinselbständigen Beschäftigungsverhältnissen" geht es nicht nur darum, Sozialversicherungskosten zu sparen, sondern auch darum, sich um ungeliebte Themen wie Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw. zu drücken.

Außerdem - die TS hat nicht genau gesagt, was sie machen soll, aber wenn ich das Wort "Telefoninterviewer" lese ...

Viele dieser sogenannten "Telefoninterviewer" arbeiten nicht für Marktforschungs- und Meinungsforschungsinstitute, sondern für sogenannte Marketingunternehmen, deren eigentliches Ziel es ist, Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Damit bewegen sie sich in einer rechtlichen Grauzone, weil sie im Grunde nichts anderes als Kaltakquise von Kunden betreiben (Verstoss gegen das UWG) und auch die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Adressen kommen nicht immer aus sauberen Quellen (Verstoss gegen Datenschutzbestimmungen). Deswegen liegt es im Interesse des Auftraggebers, seine eigene Haftung so weit wie möglich zu begrenzen. Deswegen der "Werkvertrag". Ob das hier auch der Fall ist, kann ich nicht beurteilen, allerdings, wenn es nur um Sozialleistungen, Kündigungsschutz etc. ginge, würde es ein "Dienstleistungsvertrag" auch tun ...

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