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Ausländerrecht >> Ehe und Familie >> AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
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Beitrag begonnen von Gundekar am 22.06.2009 um 15:35:33

Titel: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von Gundekar am 22.06.2009 um 15:35:33
Hallo nochmal,

habe heute zwei Fragen:

1. Kann einer bulgarischen Ehefrau eines Türken mit Aufenthaltsberechtigung, die zusammen in Deutschland wohnen und der Mann ALG 2 bezieht, die Ausstellung der AE versagt werden? Die Dame hat zwar eine Freizügigkeitsbescheinigung, möchte aber gerne arbeiten gehen. Bezogen hat man sich bei der ABH auf § 30 und § 5 und setzte den Nachweis eines Arbeitsvertrages zur Erlangung der AE voraus.

2. Ist es richtig, dass bei der bulgarischen Frau (als Ehegatte eines Türken) in Sachen Arbeitserlaubnis eine Vorrangprüfung durchgeführt wird, auch wenn die AE vorhanden ist?

Herzlichen Dank im voraus.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von schweitzer am 22.06.2009 um 16:11:39

Gundekar schrieb am 22.06.2009 um 15:35:33:
Die Dame hat zwar eine Freizügigkeitsbescheinigung, möchte aber gerne arbeiten gehen.


Das kann sie auch, denn grundsätzlich können Neu-EUlen nach 3-jährigem Aufenthalt im Bundesgebiet eine Arbeitsberechtigung-EU in Anlehnung an § 9 Abs. 1 Nr. 2 BeschVerfV bekommen. - Und, wenn ich mich an andere threads von Dir richtig erinnere, ist die Dame schon länger als drei Jahre in Deutschland.

Also nichts wie hin zur Arbeitsagentur und die Arbeitsberechtigung-EU beantragen. - Mit der kann sie dann jeder Beschäftigung nachgehen, ohne Vorrangprüfung!

=schweitzer=

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von Gundekar am 22.06.2009 um 16:22:42

schweitzer schrieb am 22.06.2009 um 16:11:39:
Und, wenn ich mich an andere threads von Dir richtig erinnere, ist die Dame schon länger als drei Jahre in Deutschland.

Hallo und danke lieber schweitzer,

die Dame um die es geht, lebt zwar etwas länger in Deutschland, aber offiziell hat sie sich erst zum 1.1.08 angemeldet.

Das wird dann wohl leider nicht klappen :-[

Hast du eine Idee unter Beachtung der jetzigen Lage? Erwähnenswert wäre vielleicht noch, dass ihr Ehemann auch vor der Eheschließung ALG 2 bezog.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 22.06.2009 um 16:25:47
Was hat der Mann für einen Titel? Was steht da zum Thema Erwerbstätigkeit? Genau dasselbe bekommt sie auch: §§ 11 Abs. 1 Satz 5 FreizügG/EU, 29 Abs. 5 Nr. 1 AufenthG.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von schweitzer am 22.06.2009 um 16:32:46

tapir schrieb am 22.06.2009 um 16:25:47:
Was hat der Mann für einen Titel?



Gundekar schrieb am 22.06.2009 um 15:35:33:
Türken mit Aufenthaltsberechtigung


... entspricht der jetzigen NE, das heißt, er hat uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. -

An Meistbegünstigungsklausel nach § 11 FreizügG und folgend § 29 (5) Nr. 1 AufenthG hatte ich auch schon gedacht bin aber über folgendes "gestolpert":


Zitat:
(5) Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit,

   1. soweit der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt ist ...


"Die Aufenthaltserlaubnis", die sie nicht hat und die sie IMHO auch nicht kriegen kann, weil LU nicht gesichert, berechtigt ... - genau, da beißt sich für mich die Katze in den Schwanz ...  (Aua!!)

=schweitzer=

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von Gundekar am 22.06.2009 um 16:44:24
Als NEU-EU'ler stehen die Chancen für einen gesicherten LU in BRD durch Selbstständigkeit bzw. durch eine unselbstständige Tätigkeit wegen Sprachproblemen und der Vorrangprüfung bei Null.

Sie steckt in der Zwickmühle.

Gibt es hier wirklich keinen Ausweg, vielleicht "aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls"?

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 22.06.2009 um 21:40:19

Gundekar schrieb am 22.06.2009 um 16:44:24:
aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls

Welche Umstände sollten dies denn sein?

@schweitzer: Deine Interpretation der Meistbegünstigungsklausel ist möglich. Allerdings meine ich, dass sie auch anders verstanden werden kann. Denn freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger benötigen keine Aufenthaltserlaubnis i.S.d. AufenthG, ihr Aufenthalt ist ohnehin erlaubt. Daher neige ich dazu, dass die "entsprechende Anwendung" des AufenthG bedeutet, dass das Vorhandensein einer Aufenthaltserlaubnis als Tatbestandsmerkmal in einer Vorschrift des AufenthG bei bereits freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern, auf die diese Vorschrift nur auf Grund der Meistbegünstigungsklausel anwendbar ist, nicht zu verlangen ist. Rechtsprechung oder Erlasse habe ich hierzu aber nicht gefunden.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von Gundekar am 22.06.2009 um 22:28:05

tapir schrieb am 22.06.2009 um 21:40:19:
Welche Umstände sollten dies denn sein?

Dass sie nicht nur zur Arbeitssuche oder sonstigem Grund sich hier aufhält sondern aufgrund der Ehe mit ihrem türkischen Ehemann. In unserem Fall bezieht der Ehemann 500 Euro ALG2, die Ehefrau 0 Euro, wovon wieder Miete, Strom abgezogen wird, so dass die Familie definitiv nicht davon leben kann. Die Frau darf aufgrund fehlender AE nicht arbeiten und hat in ihrem Heimatland auch keine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Wovon soll die Familie leben? Eine zerrüttete Ehe ist vorprogrammiert, was ist mit "Schutz der Ehe und Familie"?


tapir schrieb am 22.06.2009 um 21:40:19:
@schweitzer: Deine Interpretation der Meistbegünstigungsklausel ist möglich. Allerdings meine ich, dass sie auch anders verstanden werden kann. Denn freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger benötigen keine Aufenthaltserlaubnis i.S.d. AufenthG, ihr Aufenthalt ist ohnehin erlaubt. Daher neige ich dazu, dass die "entsprechende Anwendung" des AufenthG bedeutet, dass das Vorhandensein einer Aufenthaltserlaubnis als Tatbestandsmerkmal in einer Vorschrift des AufenthG bei bereits freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern, auf die diese Vorschrift nur auf Grund der Meistbegünstigungsklausel anwendbar ist, nicht zu verlangen ist. Rechtsprechung oder Erlasse habe ich hierzu aber nicht gefunden.  

Tapir, kannst du das bitte noch einmal posten, so dass auch ich es verstehen kann?

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 22.06.2009 um 23:45:08

Gundekar schrieb am 22.06.2009 um 22:28:05:
Tapir, kannst du das bitte noch einmal posten, so dass auch ich es verstehen kann?  

Ja, sorry für Kauderwelsch. Also, es gibt § 11 Abs. 1 Satz 5 FreizügG/EU. Der sagt: Für Unionsbürger gilt das AufenthG, wenn es für sie günstiger ist. Nun sagt § 29 Abs. 5 Nr. 1 AufenthG, dass ein Ausländer, der im Rahmen des Familiennachzugs zu einem schon im Inland lebenden anderen Ausländer nachzieht, in demselben Umfang einen Arbeitsmarktzugang erhält wie der schon hier lebende Ausländer. Also passt das eigentlich für Deine Bekannte. Nur hat schweitzer zu Recht darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthG wegen der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts nicht vorliegen dürften. Ich meine allerdings (vorläufig, ohne mir da sicher zu sein), dass die Verweisung des FreizügG/EU auf das AufenthG sich nicht auf solche Teile des AufenthG bezieht, die "typisch" für Drittstaatsangehörige sind wie bspw. "Aufenthaltserlaubnis". Aber schweitzers Meinung hat durchaus auch etwas für sich. Ich hoffe, das ist jetzt verständlich.

Wenn sie ein Arbeitsplatzangebot hat, mit dem der LU für beide gesichert werden kann, sollte sie möglichst eine AE nach § 30 beantragen und diese müsste dann m.E. auch erteilt werden mit dem entsprechenden Vermerk zur Erwerbstätigkeit.

Nur der Vollständigkeit halber: Falls der Ehemann Asylberechtigter oder anerkannter Flüchtling war/ist, könnte vom Erfordernis der Sicherung des LU für die Frau im Rahmen der AE-Erteilung abgesehen werden: § 29 Abs. 3 AufenthG.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von steini007 am 23.06.2009 um 03:13:19
@tapir


tapir schrieb am 22.06.2009 um 21:40:19:
Denn freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger benötigen keine Aufenthaltserlaubnis  


Wieso ist die Ehefrau noch freizügigkeitsberechtigt, wenn § 4 nicht erfüllt ist?

Die Dame hatte in der Vergangenheit keine KV und der LU ist auch nicht gesichert. Oder ist es ausreichend, dass der Ehemann ALG II bezieht?


Zitat:
§ 2 Recht auf Einreise und Aufenthalt
(1) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(2) Gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind:
...
5. nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4,



Zitat:
§ 4 Nicht erwerbstätige Freizügigkeitsberechtigte
Nicht erwerbstätige Unionsbürger, ihre Familienangehörigen und ihre Lebenspartner, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, haben das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen.
...





Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von pepper am 23.06.2009 um 13:14:19
Hallo,

nach dem ich diesen Thread eröffnet habe, wurde ich auf diesen hier verwiesen, da die Thematik eigentlich die selbe ist:

Ich, Serbe, Aufenthaltstitel: Unbefristete Niederlassungserlaubnis (Erwerbstätigkeit gestattet) möchte meine Freundin, Rumänin, Freizügigkeitsbescheinigung, seit 2/07 in DE festen Wohnsitz, heiraten. Wir beide sind freiwillig krankenversichert. Ich bin noch Selbstständig, jedoch ab Ende nächsten Monat nicht mehr. Werde jedoch keine Leistungen beziehen, sondern von Familienunterstützung leben, bis ich einen Arbeitsplatz finde. D.h., wir haben kein Einkommen beziehen jedoch auch keine Leistungen vom Staat.

Wenn ich das richtig verstehe, können wir zwar hier in DE heiraten, jedoch wird sie keine unbefristete Arbeitserlaubnis erhalten, da wir keinen "gesicherten LU" haben?
- Sie würde nach der Eheschliessung (nach dem sie 3 Jahre hier ist) 3/2010 die Arbeitserlaubnis-EU bekommen?
- Ab wann würde unser LU als gesichert gelten, damit sie die Arbeitserlaubnis-EU bekommt (Unterstützung von Familie zählt hier wohl nicht?)?

Danke im Voraus,

peper


Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von schweitzer am 23.06.2009 um 13:30:09

pepper schrieb am 23.06.2009 um 13:14:19:
Wenn ich das richtig verstehe, können wir zwar hier in DE heiraten, jedoch wird sie keine unbefristete Arbeitserlaubnis erhalten, da wir keinen "gesicherten LU" haben?


Na ja, das konnte in der Diskussion hier eben nicht abschließend geklärt werden - im Zweifel käme es auf einen Versuch an, man sollte dabei aber illusionslos sein und schauen, was kommt ...


pepper schrieb am 23.06.2009 um 13:14:19:
- Ab wann würde unser LU als gesichert gelten, damit sie die Arbeitserlaubnis-EU bekommt (Unterstützung von Familie zählt hier wohl nicht?)?


Ggf. doch - ich verweise (wieder einmal) auf die Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI - hier zu § 2 (3) AufenthG (Lebensunterhaltssicherung) - ich zitiere:


Zitat:
Eine Sicherungsmöglichkeit besteht
auch im Rahmen einer Verpflichtungserklärung nach § 68. Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit
des Erklärenden sind insbesondere die Pfändungsfreigrenzen nach der Zivilprozessordnung
zu berücksichtigen, weil auf Einkommen unterhalb dieser Freigrenzen bei
der Vollstreckung von Verpflichtungen nach § 68 regelmäßig nicht zugegriffen werden
kann.


Näheres müsste mit der ABH besprochen werden. Und der VE - Geber sollte sehen, wie es hinsichtlich der Befristung der VE aussieht und worauf sich die Verpflichtung konkret erstreckt.

=schweitzer=

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 23.06.2009 um 14:44:55

steini007 schrieb am 23.06.2009 um 03:13:19:
Wieso ist die Ehefrau noch freizügigkeitsberechtigt, wenn § 4 nicht erfüllt ist?

§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 FreizügG/EU.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von steini007 am 24.06.2009 um 00:04:23

tapir schrieb am 23.06.2009 um 14:44:55:
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 FreizügG/EU.  


Zitat:
Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,


Vielen Dank für den Hinweis.

Dann müßte die Dame ja bei der Agentur für Arbeit immer noch als arbeitssuchend gemeldet sein.

Würde die Freizügigkeitsberechtigung entfallen, wenn sie nicht mehr arbeitssuchend ist?

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von schweitzer am 24.06.2009 um 08:05:09

steini007 schrieb am 24.06.2009 um 00:04:23:
Würde die Freizügigkeitsberechtigung entfallen, wenn sie nicht mehr arbeitssuchend ist?  



In diesem Kontext interessieren mich aus aktuellem Anlass auch noch zwei Fragen:

1.

Wie wäre über den Zeitraum der ersten drei Monate hinaus durch einen (Neu)-EU-Bürger nachzuweisen, dass er nach wie vor arbeitsuchend ist. Reicht hier der Beleg über eine entsprechende Meldung bei der Arbeitsverwaltung und stellt diese überhaupt einen entsprechenden Beleg aus?

Ich frage das auch vor dem Hintergrund des Wortlauts von § 5 (3) FreizügG:


Zitat:
(3) Die zuständige Ausländerbehörde kann verlangen, dass die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 drei Monate nach der Einreise glaubhaft gemacht werden. Für die Glaubhaftmachung erforderliche Angaben und Nachweise können von der zuständigen Meldebehörde bei der meldebehördlichen Anmeldung entgegengenommen werden. Diese leitet die Angaben und Nachweise an die zuständige Ausländerbehörde weiter. Eine darüber hinausgehende Verarbeitung oder Nutzung durch die Meldebehörde erfolgt nicht.
- Hier ist nur von der Meldebehörde die Rede ...  :-?

Und: Wenn der Betreffende nach den drei Monaten z.B. den Nachweis arbeitsuchend zu sein nicht erbringen kann, kann ihm dann die ursprünglich ausgestelle Freizügigkeitsbescheinigung wieder abgenommen werden?

oder hätte sie  im Zweifel (auch mit Blick auf den hier diskutierten Fall)

2.


gar nicht ausgestellt werden dürfen, weil § 5a FreizügG ja unter anderem sagt:


Zitat:
(1) Die zuständige Behörde darf für die Ausstellung der Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 von einem Unionsbürger den gültigen Personalausweis oder Reisepass und im Fall des ...

§ 2 Abs. 2 Nr. 5 einen Nachweis über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verlangen.


Dies würde aber, wenn ichs nicht ganz falsch verstanden habe, heißen, dass eine Freizügigkeitsbescheinigung erst dann ausgestellt werden dürfte, wenn der Nachweis ausreichender Existenzmittel erbracht ist - etwas, wozu arbeitsuchende Neu-EUlen regelmäßig zunächst wohl kaum in der Lage sein dürften.  - Die Arbeitsverwaltungen verlangen aber IMHO für die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU die Vorlage der Freizügigkeitsbescheinigung...

Das ist für mich nicht schlüssig.

Kann das jemand mal auflösen und fundiert aber verständlich erklären?

=schweitzer=

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von C_Devil am 24.06.2009 um 09:49:28

schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 08:05:09:
Wie wäre über den Zeitraum der ersten drei Monate hinaus durch einen (Neu)-EU-Bürger nachzuweisen, dass er nach wie vor arbeitsuchend ist. Reicht hier der Beleg über eine entsprechende Meldung bei der Arbeitsverwaltung und stellt diese überhaupt einen entsprechenden beleg aus?

Eine Arbeitsuchendmeldung wird bei der Agentur nicht entgegengenommen, solange die Neu-EUle nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis-EU ist. Ohne diese kann er nicht vermittelt werden und steht der Vermittlung somit nicht zur Verfügung - ergo gibt's auch keine Bescheinigung darüber.


schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 08:05:09:
Und: Wenn der Betreffende nach den drei Monaten z.B. den nachweis arbeitsuchend zu sein nicht erbringen kann, kann ihm dann die ursprünglich ausgestelle Freizügigkeitsbescheinigung wieder abgenommen werden?

Meine ABH verfahren wie folgt:
Nach Erhalt der Anmeldung beim Einwohnermeldeamt wird die Neu-EUle kurz vor Ablauf des 3-monatigen Aufenthaltes angeschrieben mit der Bitte um Vorlage der Nachweise im Rahmen des § 5a FreizügG. Gleichzeitig wird die Neu-EUle darauf hingewiesen, dass, wenn die Nachweise nicht beizubringen sind, keine Freizügigkeitsbescheinigung ausgestellt werde und die Ausreise ins Heimatland zu erfolgen hat.


schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 08:05:09:
Die Arbeitsverwaltungen verlangen aber IMHO für die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU die Vorlage der Freizügigkeitsbescheinigung...

Nein, für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU ist die Vorlage einer aktuellen Meldebescheinigung völlig ausreichend.
Ginge ja auch nicht anders, da die ABH's in den ersten 3 Monaten normalerweise keine Freizügigkeitsbescheinigungen ausstellen.

Ich hoffe, dass ich mich verständlich ausgedrückt habe ;)


Gruß
C_Devil

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 24.06.2009 um 10:00:03

steini007 schrieb am 24.06.2009 um 00:04:23:
Dann müßte die Dame ja bei der Agentur für Arbeit immer noch als arbeitssuchend gemeldet sein.

Nein, wenn sie sich ohne Hilfe der Agentur um Arbeit bemüht, sollte das reichen. In der Praxis ist aber eine solche Meldung natürlich ratsam, zumal dann auch nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH (C-422/08) entgegen der deutschen Rechtslage ALG II beansprucht werden könnte.


steini007 schrieb am 24.06.2009 um 00:04:23:
Würde die Freizügigkeitsberechtigung entfallen, wenn sie nicht mehr arbeitssuchend ist?  

Innerhalb der ersten fünf Jahre nach Einreise: Ja, § 5 Abs. 5 FreizügG/EU.


schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 08:05:09:
Wie wäre über den Zeitraum der ersten drei Monate hinaus durch einen (Neu)-EU-Bürger nachzuweisen, dass er nach wie vor arbeitsuchend ist. Reicht hier der Beleg über eine entsprechende Meldung bei der Arbeitsverwaltung und stellt diese überhaupt einen entsprechenden beleg aus?

Die für den Vollzug des FreizügG/EU zuständige Behörde kann schon auch den Nachweis von Bewerbungen verlangen. Wenn die Leute insoweit unter Druck gesetzt werden, melden sie meist ein Gewerbe an.


schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 08:05:09:
- Hier ist nur von der Meldebehörde die Rede ...hä?

Die Meldebehörde kann die Nachweise, gleichsam als Botin, entgegennehmen, und sie der für das FreizügG/EU zuständigen Behörde weiterleiten. Damit soll dem Unionsbürger erspart werden, selbst die zuständige Behörde, i.d.R. die auch für Drittstaatsangehörige zuständige ABH, aufzusuchen.


schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 08:05:09:
oder hätte sieim Zweifel (auch mit Blick auf den hier diskutierten Fall) [...] gar nicht ausgestellt werden dürfen, weil § 5a FreizügG ja unter anderem sagt: [§ 2 Abs. 2 Nr. 5]

In dem in Bezug genommenen § 2 Abs. 2 Nr. 5 geht es nur um Unionsbürger, die nicht erwerbstätig sind und auch keine Arbeit suchen. Arbeit suchende fallen nicht unter Nr. 5, sondern werden von Nr. 1 spezieller erfasst.


schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 08:05:09:
Kann das jemand mal auflösen und fundiert aber verständlich erklären?

Hab mir Mühe gegeben.


C_Devil schrieb am 24.06.2009 um 09:49:28:
Eine Arbeitsuchendmeldung wird bei der Agentur nicht entgegengenommen, solange die Neu-EUle nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis-EU ist.  

Ob das so logisch ist? Die Arbeitserlaubnis-EU gibt es ja nur für einen bestimmten Arbeitsplatz. Diesen muss die Neu-EUle ja erst mal suchen. Aber in diesem Kontext wird die o.g. EuGH-Entscheidung demnächst vermutlich sowieso noch für viel Unruhe sorgen :-) .

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von schweitzer am 24.06.2009 um 10:01:32

C_Devil schrieb am 24.06.2009 um 09:49:28:
Ich hoffe, dass ich mich verständlich ausgedrückt habe  ;)


Das war sehr verständlich!!!

Ich ziehe daraus folgenden Schluss:

Auf Freizügigkeit wegen Arbeitssuche kann sich letztlich nur derjenige berufen, der, wie auch immer, in der Lage ist, nachzuweisen, dass ihm ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen und hinreichender Krankenversicherungsschutz gegeben ist. Richtig?

Wenn ja (und hoffentlich nicht schon zu sehr vom eigentlichen Thema wegführend), dann letzte Frage:

Welches sind im Kontext des FreizügG die verbindlichen Kriterien für "ausreichende Existenzmittel"?

=schweitzer=

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 24.06.2009 um 10:04:11

schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 10:01:32:
Auf Freizügigkeit wegen Arbeitssuche kann sich letztlich nur derjenige berufen, der, wie auch immer, in der Lage ist, nachzuweisen, dass ihm ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen und hinreichender Krankenversicherungsschutz gegeben ist. Richtig?

Nein!!! (Das hatte auch C_Devil nicht geschrieben). Es kann ein Unionsbürger, genau wie ja deutsche Langzeitarbeitslose auch, ein Jahr lang oder noch viel länger hier i.S.d. FreizügG/EU Arbeit suchen, ohne dass er sich bei der Bundesagentur gemeldet hat und ohne ausreichende Existenzmittel aufzuweisen, er verliert dennoch nicht den Freizügigkeitsstatus. Wenn er das fünf Jahre lang durchhält, wird er daueraufenthaltsberechtigt.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von schweitzer am 24.06.2009 um 10:22:56
Sorry, aber jetzt wirds für mich allmählich crazy  :horsie


tapir schrieb am 24.06.2009 um 10:04:11:
Es kann ein Unionsbürger, genau wie ja deutsche Langzeitarbeitslose auch, ein Jahr lang oder noch viel länger hier i.S.d. FreizügG/EU Arbeit suchen, ohne dass er sich bei der Bundesagentur gemeldet hat und ohne ausreichende Existenzmittel aufzuweisen, er verliert dennoch nicht den Freizügigkeitsstatus.


Gut, er ist also weiter freizügigkeitsberechtigt, aber er bekommt dann im Zweifel keine Freizügigkeitsbescheinigung, wenn er nicht nachweisen kann, das er über ausreichende Existenzmittel und hinreichenden Krankenversicherungsschutz verfügt. -  

Da stellt sich mir denn doch ernsthaft die Frage nach dem eigentlichen Sinn und Wert der Freizügigkeitsbescheinigung (die man laut C_Devil auch für die Vorsprache bei der Arbeitsverwaltung nicht braucht) - es ist doch irgendwie absurd, dass man sie, mal abgesehen von ihrem rein deklaratorischen Charakter, obwohl freizügigkeitsberechtigt, mal bekommt und mal nicht.

Und ein zweites Problem scheint mir nach den letzten posts hier das des Nachweises, dass man arbeitsuchend ist, zu sein. - Nur, wenn man also durch entsprechende Bewerbungen, sonstige dokumentierte Aktivitäten belegen kann, sich fortgesetzt um Arbeit zu bemühen, wäre man (auch als neu EUle) weiter freizügigkeitsberechtigt? Allerdings ggf. ohne Chance eine Freizügigkeitsbescheinigung zu ehalten? - Ehrlich, das ist:  :horsie

Und, um das ganze mal auf die Spitze zu treiben:

Was passiert eigentlich mit jenen Neu-Eulen, die sich über drei Monate in Deutschland aufhalten und nicht hinreichend belegen können, dass sie arbeitsuchend sind (Ich hatte da zuletzt von einer größeren Gruppe Neu-EU-Roma aus Rumänien in Berlin gehört) ...


=schweitzer=

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 24.06.2009 um 11:30:28

schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 10:22:56:
Gut, er ist also weiter freizügigkeitsberechtigt, aber er bekommt dann im Zweifel keine Freizügigkeitsbescheinigung, wenn er nicht nachweisen kann, das er über ausreichende Existenzmittel und hinreichenden Krankenversicherungsschutz verfügt. -

Nein schweitzer, natürlich bekommt er die Bescheinigung. Alle Freizügigkeitsberechtigten bekommen eine Bescheinigung über das Freizügigkeitsrecht. Wer arbeit suchend ist, ist unabhängig von der Existenzsicherung freizügigkeitsberechtigt. Daher müssen über die Existenzsicherung auch keine Nachweise vorgelegt werden. Selbstverständlich ist das Freizügigkeitsrecht dann zu bescheinigen.


schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 10:22:56:
Und ein zweites Problem scheint mir nach den letzten posts hier das des Nachweises, dass man arbeitsuchend ist, zu sein. - Nur, wenn man also durch entsprechende Bewerbungen, sonstige dokumentierte Aktivitäten belegen kann, sich fortgesetzt um Arbeit zu bemühen, wäre man (auch als neu EUle) weiter freizügigkeitsberechtigt? Allerdings ggf. ohne Chance eine Freizügigkeitsbescheinigung zu ehalten? - Ehrlich, das ist:horsie



schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 10:22:56:
Da stellt sich mir denn doch ernsthaft die Frage nach dem eigentlichen Sinn und Wert der Freizügigkeitsbescheinigung (die man laut C_Devil auch für die Vorsprache bei der Arbeitsverwaltung nicht braucht) - es ist doch irgendwie absurd, dass man sie, mal abgesehen von ihrem rein deklaratorischen Charakter, obwohl freizügigkeitsberechtigt, mal bekommt und mal nicht.

Es ist nicht absurd, ich versuch's nochmal:

Wann jemand freizügigkeitsberechtigt ist, steht in §§ 2, 3, 4 FreizügG/EU.

Die einzige Voraussetzung für Arbeit suchende ist, dass sie Arbeit suchen. Nur nicht Arbeit suchende Erwerbstätige müssen zudem noch die Existenz sichern können und eine KV haben. Das ergibt sich unzweifelhaft aus § 2 Abs. 2 Nr. 1, 5, § 4 Freizügg/EU.

Von Arbeit suchenden Unionsbürgern darf, wie sich aus § 5a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 FreizügG/EU ergibt, außer dem gültigen Reisepass und Personalausweis grundsätzlich kein weiterer Nachweis für die Ausstellung der Freizügigkeitsbescheinigung verlangt werden. Erst nach Ablauf von drei Monaten kann gem. § 5 Abs. 3 FreizügG/EU die Glaubhaftmachung verlangt werden - etwa durch Nachweis von Bewerbungen usw. Die Existenzsicherung und die KV dürfen von arbeit suchenden Unionsbürgern aber keinesfalls für die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verlangt werden, da diese Anforderungen für diesen Personenkreis nicht gelten.


schweitzer schrieb am 24.06.2009 um 10:22:56:
Was passiert eigentlich mit jenen Neu-Eulen, die sich über drei Monate in Deutschland aufhalten und nicht hinreichend belegen können, dass sie arbeitsuchend sind (Ich hatte da zuletzt von einer größeren Gruppe Neu-EU-Roma aus Rumänien in Berlin gehört) ...

Die sind jedenfalls nicht nach dem FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt und bekommen daher in Deutschland auch keine Freizügigkeitsbescheinigung.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von schweitzer am 24.06.2009 um 11:49:38
Vielen Dank für Deine Geduld und Mühe, tapir. Das lasse ich jetzt ganz langsam sacken, und ich glaube, dann hab ichs auch verstanden. Wenn ich aber einige Fälle, die in meinem weiteren Umfeld in letzter Zeit aufgelaufen sind, mit diesem nunmehr Wissen betrachte, dann habe ich rückwirkend Zweifel, ob alle Behörden das wirklich so handhaben bzw. verstanden haben ... - nun gut.

Gelernt habe ich für meine Beratungsarbeit vor allem, insbesondere NEU-Eulen künftig viel stärker als bisher dazu anzuhalten, Ihre Bemühungen im Bereich Arbeitssuche wirklich nachweisbar zu dokumentieren.

Nicht, dass ich das nicht schon wusste aber es kann und muss an dieser Stelle mal wieder gesagt werden: [i4a=i4a.gif]

;)

=schweitzer=

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von steini007 am 24.06.2009 um 12:13:53

tapir schrieb am 24.06.2009 um 11:30:28:
Die einzige Voraussetzung für Arbeit suchende ist, dass sie Arbeit suchen.  

Widerspricht sich das bei NEU-Eulen nicht etwas, da sie eingeschränkten Arbeitsmarktzugang haben?

Ohne Vorrangprüfung bekommen sie keine Arbeitsgenehmigung.
Also welchen Zweck hat dann die Arbeitssuche? Nur die Aufrechterhaltung der Freizügigkeit?

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 24.06.2009 um 12:18:54

steini007 schrieb am 24.06.2009 um 12:13:53:
Also welchen Zweck hat dann die Arbeitssuche? Nur die Aufrechterhaltung der Freizügigkeit?  

Sie müssen doch, um sich im Rahmen des Erteilungsverfahrens für eine Arbeitserlaubnis-EU der Vorrangprüfung stellen zu können, überhaupt erst mal zur Kenntnis nehmen, was es auf dem deutschen Arbeitsmarkt für Möglichkeiten gibt und Kontakt mit Arbeitgebern aufnehmen, d.h. Bewerbungen schreiben und sich Stellenbeschreibungen geben lassen, die dann Gegenstand der Prüfung bei der Bundesagentur sind. Der EuGH fasst dieses gesamte, der Beschäftigungsaufnahme zeitlich vorausgehende Geschehen unter dem Begriff der "Aufnahme tatsächlicher Verbindungen zum Arbeitsmarkt" zusammen. Dieses genügt, um die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 39 EGV auszulösen. Da die Beschränkungen nach den Beitrittsakten nur hinsichtlich der letztendlichen Aufnahme der Beschäftigung gelten, ergibt sich aus Art. 39 EGV eine unbeschränkte Arbeitsuchendenfreizügigkeit für Neu-EUlen.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von Gundekar am 24.06.2009 um 23:20:46
Zunächst vielen Dank für die rege Teilnahme. Heißt das dann im Klartext, dass die Dame

- keinen Anspruch auf AE hat

- sich hier nicht alleine deshalb aufhalten darf, weil sie mit ihrem Ehemann verheiratet ist (sollte sie nicht freizügigkeitsberechtigt sein, würde sie abgeschoben werden?)

- sich hier z. Zt. ausschließlich im Status eines arbeitsuchenden Freizügigkeitsberechtigten aufhalten darf (da kein Gewerbe etc. vorhanden ist)

- und deshalb keinen Anspruch auf einen uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang hat

- bei Nachweis eines Arbeitsangebotes, womit sie ihren Lebensunterhalt und den den ihres Mannes sichern kann, ihr auch ohne eine AE eine Arbeitserlaubnis zu erteilen ist


tapir schrieb am 24.06.2009 um 10:00:03:
In der Praxis ist aber eine solche Meldung natürlich ratsam, zumal dann auch nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH (C-422/08) entgegen der deutschen Rechtslage ALG II beansprucht werden könnte.


Unter dem genannten AZ kann ich keinen Bezug auf das genannte Thema finden. Ist sie wirklich richtig? Meinst du damit vielleicht den Fall der beiden Griechen und die ARGE Nürnberg?

Hätte denn die Dame trotz nicht vorhandener AE dennoch einen Anspruch auf ALG II?
SGB II § 7 Berechtigte
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige).

Ausgenommen sind

1. Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.



Zitat:
1. Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts
Diese Dame hätte demnach nach 3 Monaten ihres Aufenthaltes einen Anspruch auf ALG II.


Zitat:
2. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen

Und hier noch deswegen, weil sie nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche sondern zusätzlich noch wegen ihrer Ehe mit dem aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsbürger sich in DE aufhält.

"Erwerbsfähig" sollte sie ebenfalls sein (siehe Rz. (8.22)
Arbeitsmarktzugang von Bürgern der neuen EUStaaten)

§ 8 Erwerbsfähigkeit
http://www.kreis-kleve.de/C12571340048CA40/html/B9F035F9FFB776ECC125746A004F08E1

Demnach sollte ihr der Weg zu ALG II offen stehen, richtig?

Wenn ja und unter Berücksichtigung von Antwort #8, dass der Dame nur bei Vorlage eines Arbeitsplatzangebotes für eine Beschäftigung, die beider LU'e sichert, eine Arbeitsgenehmigung erteilt werden darf und nicht schon bei einer Geringfügigen bzw. schon bei eigener LU-Sicherung also ohne die des Ehemannes, frage ich mich, worin der Sinn des Hindernisses zum Arbeitsmarktzugang durch die Verweigerung der AE liegt, gerade bei Personen, die dadurch gezwungen werden, dem Staat länger auf der Tasche zu liegen?

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 25.06.2009 um 00:11:18

Gundekar schrieb am 24.06.2009 um 23:20:46:
- keinen Anspruch auf AE hat

Einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis sehe ich in der Tat nicht. Denn selbst, wenn man das AufenthG für anwendbar hielte, ist der LU nicht gesichert, § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.


Gundekar schrieb am 24.06.2009 um 23:20:46:
- sich hier nicht alleine deshalb aufhalten darf, weil sie mit ihrem Ehemann verheiratet ist (sollte sie nicht freizügigkeitsberechtigt sein, würde sie abgeschoben werden?)

In der Tat verschafft ihr die Ehe mit dem türkischen Staatsangehörigen wegen der fehlenden Sicherung des Lebenunterhalts hier kein Aufenthaltsrecht. Ob sie deswegen gleich abgeschoben werden könnte, wenn sie nicht freizügigkeitsberechtigt ist, ist ein schwieriges Feld, das wir hier jetzt nicht auch noch beackern sollten. Die Frage stellt sich doch in der Praxis nicht.


Gundekar schrieb am 24.06.2009 um 23:20:46:
- und deshalb keinen Anspruch auf einen uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang hat

Diese Frage konnten wir nicht abschließend klären. Ich bin der Auffassung, dass ein Arbeitsmarktzugang gem. §§ 11 Abs. 1 Satz 5 FreizügG/EU, 29 Abs. 5 Nr. 1 AufenthG durchaus in Betracht kommt. Es gibt aber auch Gründe, die gegen eine solche Sichtweise sprechen. Die Frage ist, soweit ersichtlich, gerichtlich noch nicht entschieden worden.


Gundekar schrieb am 24.06.2009 um 23:20:46:
- bei Nachweis eines Arbeitsangebotes, womit sie ihren Lebensunterhalt und den den ihres Mannes sichern kann, ihr auch ohne eine AE eine Arbeitserlaubnis zu erteilen ist

In diesem Fall wäre ihr m.E. eine AE zu erteilen, weil insoweit § 11 Abs. 1 Nr. 5 FreizügG/EU unproblematisch zu einem Anspruch aus §§ 5, 29, 30 AufenthG führt mit Arbeitsmarktzugang. Ob in diesem Fall auch ohne eine AE ein Arbeitsmarktzugang erfolgen könnte, kann daher dahinstehen.


Gundekar schrieb am 24.06.2009 um 23:20:46:
Unter dem genannten AZ kann ich keinen Bezug auf das genannte Thema finden. Ist sie wirklich richtig? Meinst du damit vielleicht den Fall der beiden Griechen und die ARGE Nürnberg?

Ja, den meine ich. Der Bezug besteht darin, dass nach dieser Entscheidung ein ALG II-Bezug auch für Arbeit suchende Unionsbürger möglich ist, obwohl das deutsche Recht in § 7 SGB II ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Ob die Rechtsprechung auch auf Neu-EUlen übertragbar ist, ist ungeklärt. Jedenfalls für Alt-EUlen ist eine Arbeitsuchend-Meldung aber schon aus leistungsrechtlichen Gründen grundsätzlich zu empfehlen, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalls entgegenstehen (z.B. dass eine Einbürgerungsmöglichkeit so vereitelt wird).


Gundekar schrieb am 24.06.2009 um 23:20:46:
Demnach sollte ihr der Weg zu ALG II offen stehen, richtig?

Nach dem nationalen Recht nein. Bei der Bestimmung des Aufenthaltszwecks haben von der Rechtsordnung missbilligte Zwecke außer Betracht zu bleiben. Die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem Drittstaatsangehörigen ist grundsätzlich nur dann ein schutzwürdiger und zu berücksichtigender Zweck, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist und eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Dies ist hier nicht der Fall. Etwas anderes würde nur gelten, wenn man annehmen würde - was sicher mit einigem Begründungsaufwand vertretbar, aber vorgerichtlich nicht vermittelbar sein wird - , dass sich ein Freizügigkeitsrecht unabhängig vom Lebensunterhalt für den Nachzug eines Unionsbürgers zu einem in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen nationalem Recht langfristig oder hier möglicherweise gar assoziationsrechtlich aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen unmittelbar aus Art. 18 EGV, ggfs. i.V.m. Art. 6 Abs. 2 EUV, Art. 8 EMRK ergibt. Soweit ersichtlich liegen zu dieser Konstellation aber noch keine Entscheidungen vor.

Daher ist zunächst davon auszugehen, dass die Bulgarin sich hinsichtlich ihres Aufenthaltszwecks nur auf die Arbeitsuchendenfreizügigkeit berufen kann. Für Arbeit suchende schließt allerdings die genannte Vorschrift des SGB II den ALG-II-Bezug ohne RÜcksicht auf die Aufenthaltsdauer aus. Nach EuGH C-422/08 verstößt diese Vorschrift gegen das Gemeinschaftsrecht. Jedenfalls Alt-EUlen haben daher auch, wenn der Aufenthaltszweck nur die Arbeitssuche ist, Anspruch auf ALG II. Ob diese Rechtsprechung auf Neu-EUlen übertragbar ist, ist bisher ungeklärt. Die Frage, ob die Frau ALG II-Anspruch hat, kann daher nicht sicher beantwortet werden, die Erfolgsaussichten bei einem Klageverfahren wären ungewiss.

Titel: @steini007
Beitrag von Gundekar am 25.06.2009 um 07:39:19
Hallo,

steini007 darf ich dich abschließend auch noch bitten, deine Meinung wegen Bezug von ALG II oder aber Sozialhilfe gem. XII der Frau zu äußern, vllt. in Verbindung mit dem Thread

http://www.info4alien.de/cgi-bin/forum/YaBB.cgi?num=1245480538/6

Hätte sie trotz fehlender AE evtl. doch einen Anspruch auf Sozialhilfe (gehabt)?

Ich danke dir und allen Beteiligten zu diesem Thema.


Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von steini007 am 25.06.2009 um 08:01:29

Gundekar schrieb am 25.06.2009 um 07:39:19:
steini007 darf ich dich abschließend auch noch bitten, deine Meinung wegen Bezug von ALG II oder aber Sozialhilfe gem. XII der Frau zu äußern,

Eine entsprechende Antwort hat tapir soeben geschrieben:

tapir schrieb am 25.06.2009 um 00:11:18:
Für Arbeit suchende schließt allerdings die genannte Vorschrift des SGB II den ALG-II-Bezug ohne RÜcksicht auf die Aufenthaltsdauer aus.  


Ob unter diesen Bedingungen Sozialhilfe zu bekommen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Damit würden die Einschränkungen von SGB II ausgehebelt werden.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von Gundekar am 25.06.2009 um 08:37:38

steini007 schrieb am 25.06.2009 um 08:01:29:
Damit würden die Einschränkungen von SGB II ausgehebelt werden.  

Aushebeln = aufheben? Den Satz habe ich leider nicht ganz verstanden, würdest du ihn bitte nochmal "einfacher" erklären?

Die Tatsache, dass sie sich hier nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche sondern (auch wenn ohne AE) als zweiten Grund sie wegen der Eheführung in DE ist, sollte dann definitiv (i. S. d. SGB II oder SGB XII) nicht weiter helfen?

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von steini007 am 25.06.2009 um 09:04:04

Gundekar schrieb am 25.06.2009 um 08:37:38:
Aushebeln = aufheben?  

So habe ich es gemeint.


Gundekar schrieb am 25.06.2009 um 08:37:38:
Die Tatsache, dass sie sich hier nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche sondern (auch wenn ohne AE) als zweiten Grund sie wegen der Eheführung in DE ist, sollte dann definitiv (i. S. d. SGB II oder SGB XII) nicht weiter helfen?


Ich sehe in der Sache folgendes Problem:

Die Freizügigkeit besteht - in diesem Fall - nur darin, dass sie arbeitssuchend ist. Wäre sie das nicht, müßten entsprechende Finanzmittel vorhanden sein.

Eine AE nach dem AufenthG fällt flach, da dann der LU sichergestellt werden müßte.

Da der Ehemann aber selber staatliche Leistungen bezieht und somit sein eigenes Leben nicht finanzieren kann, kann auch für den Unterhalt seiner Ehefrau nicht aufkommen.

Die Komplezität des Falls hat tapir ausführlich geschrieben, der scheinbar gerichtlich noch nicht entschieden wurde.

Wäre deine Bekannte gewerblich tätig, gäbe es diese Probleme nicht und hätte sofort Anspruch auf ALG II.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von Gundekar am 25.06.2009 um 10:05:39
Danke, ich habe es verstanden, es scheint, aussichtslos zu sein.

Ich habe meiner Bekannten das hier erlernte Wissen weiter gegeben und wurde auf Neuigkeiten aufmerksam gemacht.

Würde eine Beschäftigung als Beamtin bzw. Angestellte im öffentl. Dienst im Heimatland (nicht in DE) über mehrere Jahre hinweg mit zuvor erfolgreich abgeschlossenem Studium in diesem Gebiet die Erteilung einer AE oder Arbeitserlaubnis vielleicht ermöglichen? Evtl. nach den Bestimmungen für Qualifizierte oder Hochqualifizierte?

Weiterhin lebte sie zum Zeitpunkt der Einreise durch Unterstützung ihrer Angehörigen und von ihrem Angesparten. Ihr eigener LU war zu diesem Zeitpunkt noch gesichert. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine AE wären somit erfüllt gewesen. Hätte sie jetzt die Möglichkeit, hier rückwirkend eine AE erteilt zu bekommen und würde sie sie ab Zeitpunkt des Eintritts der Bedürftigkeit wieder verlieren?

Ich möchte mich für die vielen Fragen entschuldigen, zumal im Laufe meiner Threads auch viele Themen bereits erörtert wurden und es zu Doppelfragen kam. Wenn ich hier noch eine Auskunft bekommen könnte, dann sind wohl auch alle meine Fragen geklärt.

[danke=dankeschoen.gif]

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 25.06.2009 um 10:17:48

steini007 schrieb am 25.06.2009 um 08:01:29:
Ob unter diesen Bedingungen Sozialhilfe zu bekommen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Damit würden die Einschränkungen von SGB II ausgehebelt werden.  

Siehe § 23 Abs. 3 SGB XII: Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Da die SGB XII-Leistungen keinen Arbeitsmarktbezug haben, ist diese Vorschrift auch europarechtskonform.


Gundekar schrieb am 25.06.2009 um 10:05:39:
es scheint, aussichtslos zu sein.

Das hat allerdings niemand geschrieben. Es wurden doch verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, sowohl aufenthalts- als auch sozialrechtlich. Die Erfolgsaussichten sind lediglich ungewiss, aber nicht eindeutig negativ.


Gundekar schrieb am 25.06.2009 um 10:05:39:
Würde eine Beschäftigung als Beamtin bzw. Angestellte im öffentl. Dienst im Heimatland (nicht in DE) über mehrere Jahre hinweg mit zuvor erfolgreich abgeschlossenem Studium in diesem Gebiet die Erteilung einer AE oder Arbeitserlaubnis vielleicht ermöglichen? Evtl. nach den Bestimmungen für Qualifizierte oder Hochqualifizierte?

Ja, dann würde die Vorrangprüfung wegfallen, wenn sie eine ihrer beruflichen Qualifikation entsprechende Beschäftigung aufnehmen würde (§ 12b ArgV).


Gundekar schrieb am 25.06.2009 um 10:05:39:
Hätte sie jetzt die Möglichkeit, hier rückwirkend eine AE erteilt zu bekommen und würde sie sie ab Zeitpunkt des Eintritts der Bedürftigkeit wieder verlieren?

Es gibt m.E. keine rückwirkenden Aufenthaltstitel.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von Mustermann am 25.06.2009 um 11:29:51

tapir schrieb am 24.06.2009 um 10:00:03:
In der Praxis ist aber eine solche Meldung natürlich ratsam, zumal dann auch nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH (C-422/08) entgegen der deutschen Rechtslage ALG II beansprucht werden könnte.



Gundekar schrieb am 24.06.2009 um 23:20:46:
Unter dem genannten AZ kann ich keinen Bezug auf das genannte Thema finden. Ist sie wirklich richtig? Meinst du damit vielleicht den Fall der beiden Griechen und die ARGE Nürnberg?



tapir schrieb am 25.06.2009 um 00:11:18:
Ja, den meine ich.  


Wo kann man mehr über diesen Fall lernen? Offensichtlich habe ich die falschen Seiten gefunden.

Ich finde nur Rechtssache C‑422/08 bzw. hier.


Zitat:
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2004/35/EG – Umwelthaftung – Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden – Nichtumsetzung innerhalb der vorgeschriebenen Frist“




Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 25.06.2009 um 11:44:52

Mutly schrieb am 25.06.2009 um 11:29:51:
Wo kann man mehr über diesen Fall lernen? Offensichtlich habe ich die falschen Seiten gefunden.

Ich finde nur Rechtssache C‑422/08 bzw. hier.

Sorry, war ein Tippfehler. Richtig ist: C-22/08 (und Parallelverfahren C-23/08).

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von Mustermann am 25.06.2009 um 12:59:48
Danke. Ein Bericht bei Migazin, das Urteil.


Titel: Wir wurden auf den Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats aufmerksam gemacht.
Beitrag von Gundekar am 25.06.2009 um 19:45:55
Insbesondere Art. 6 und 7 ARB 1/80. Der Ehemann meiner Bekannten ist seit ca. 1968/1969 in DE. Würde das genannte Abkommen an der jetzigen Sachlage etwas ändern? Zur Info: Der Ehemann hat noch eine "alte" Aufenthaltsberechtigung (keine NE) und ich kann mich selbst noch daran erinnern, dass es mal möglich gewesen war, die Arbeitserlaubnis einer Person (Türke) an z. B. den Ehepartner zu übertragen.

Es wäre weiterhin sehr nett, wenn mir beim Verstehen des Artikel 6 und 7 des Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei jemand helfen könnte, insbesondere das Wort "vorbehaltlich".

Danke

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von steini007 am 26.06.2009 um 09:17:39

tapir schrieb am 25.06.2009 um 10:17:48:
Siehe § 23 Abs. 3 SGB XII: Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe.

Die Ehefrau ist aber nicht eingereist um Sozialhilfe zu erhalten, sondern die eheliche LG mit ihrem Mann zu führen. Somit ist sie auch nicht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche in Deutschland.

Dass die AE zur Führung der ehelichen LG einen AT nach den AufenthG vorsieht, dieser aber einen gesicherten LU voraussetzt und sie sich auf die Freizügigkeit zur Arbeitsplatzsuche beruft, dürfte kein Nachteil sein.

Spätestens wenn die Lohnsteuerkarte des Ehemanns abgeändert wird, wäre die eheliche LG dokumentiert und bestätigt.

Demnach dürfte eine Versagung der Leistungen nach SGB XII m. M. nicht stattfinden.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von tapir am 26.06.2009 um 11:45:24

Gundekar schrieb am 25.06.2009 um 19:45:55:
Es wäre weiterhin sehr nett, wenn mir beim Verstehen des Artikel 6 und 7 des Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei jemand helfen könnte, insbesondere das Wort "vorbehaltlich".

Art. 6 ARB 1/80 ist nur auf türkische Staatsangehörige anwendbar und hilft daher von vornherein nicht weiter. Dagegen ist Art. 7 ARB 1/80 auch auf die nichttürkischen Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer anwendbar. Allerdings ist anerkannt, dass Art. 7 ARB 1/80 Nachzugsrechte nicht schafft, sondern voraussetzt ("die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen"). Es muss daher grundsätzlich bereits ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke des Familiennachzugs bestehen, damit über Art. 7 ARB 1/80 ein weiteres Aufenthalts- und Arbeitsrecht beansprucht werden kann; die Vorschrift wird also grundsätzlich nur bei der Verlängerung relevant. Der VGH Baden-Württemberg hat demgegenüber dieses Genehmigungserfordernis dann für obsolet gehalten, wenn die Einreise visumfrei möglich war (Urteil v. 17.08.00, 13 S 950/00). Mit dieser Argumentation könnte daher vertreten werden, dass die Bulgarin den persönlichen Anwendungsbereich von Art. 7 ARB 1/80 erfüllt. Allerdings bringt dies ja erst nach drei Jahren einen Arbeitsmarktzugang, und auch dann nur mit Vorrangprüfung. Das bedeutet nämlich das Wort "vorbehaltlich". Erst nach fünf Jahren (zweiter Spiegelstrich) entfällt die Vorrangprüfung und es besteht ein uneingeschränktes Arbeitsrecht.


steini007 schrieb am 26.06.2009 um 09:17:39:
Somit ist sie auch nicht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche in Deutschland.

Vielleicht guckst Du einfach mal ins Gesetz:
"Ausgenommen sind [...]
2. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt [...]"
. Der Gesetzeswortlaut ist hier eindeutig. Problematisch ist nur die Vereinbarkeit mit Europarecht. Sollte der SGB II-Ausschluss von Neu-EUlen trotz EuGH C-22/08 rechtens sein, käme ein Anspruch auf (ggfs. reduziertes) SGB XII entgegen dem Wortlaut des Gesetzes in Betracht; dazu gibt es schon ein bißchen Rechtsprechung auf der Grundlage von Art. 12 EGV.

Titel: Re: AE für Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen bei Sozialleistungsbezug
Beitrag von gc am 06.07.2009 um 20:17:32

C_Devil schrieb am 24.06.2009 um 09:49:28:
Eine Arbeitsuchendmeldung wird bei der Agentur nicht entgegengenommen, solange die Neu-EUle nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis-EU ist. Ohne diese kann er nicht vermittelt werden und steht der Vermittlung somit nicht zur Verfügung - ergo gibt's auch keine Bescheinigung darüber.


Dieses Vorgehen halte ich für einen klaren Verstoß gegen nationales (Vermittlungspflicht nach SGB III) und EU-Recht (Diskriminierungsverbot nach EGV und Unionsbürger-RL). In so einem Fall würde ich daher ggf. eine Dienstaufsichtsbeschwerde empfehlen, sozusagen wg. "Arbeitsverweigerung" seitens der Agentur.

Ich habe - da diese Frage eigentlich ein eigenes Thema darstellt - dazu hier bereits separat gepostet aber keine Antwort erhalten bisher:

http://www.info4alien.de/cgi-bin/forum/YaBB.cgi?num=1246479842

Ich möchte daher um Verständnis bitten, dass ich daher meine von der hier bisher vertretenen Meinung abweichende Auffassung auch nochmal im Ursprungsthread kundtue.

Beste Grüße und mit der Bitte um Meinungen dazu, vielleicht der Übersichtlichkeit halber besser hier
http://www.info4alien.de/cgi-bin/forum/YaBB.cgi?num=1246479842

gc

Titel: So, ein großer Teil ist geschafft :o)
Beitrag von Gundekar am 06.07.2009 um 23:36:47
Hallo zusammen,

ich wollte mich nochmal gerne zurück :babbel: was aus unserem Anliegen geworden ist.

Mittlerweile ist die Damen wie bereits berichtet KV-Versichert.

Durch die vielen Anregungen der Forenteilnehmer haben wir es auch geschafft, für die Dame eine Arbeitsberechtigung zu erwirken.

Hier gilt mein Dank insbesondere an tapir, der uns bei der Formulierung unseres Antrages mit seinen sehr gekonnten, fachlichen Argumenten sehr geholfen hat.

Auch an die übrigen Teilnehmer einen schönen Dank, lieber steini007 auch dir, auch im Namen meiner Bekannten, die ihre Hoffnung seit über einem Jahr schon aufgegeben hatte und jetzt natürlich umso mehr glücklich ist

[laola=laola2.gif]

Ich kann nur eins wiederholen:


[i4a=i4a.gif] und absolut [sens=sensationell.gif]


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